Jubilate! Jubelt!

Jubeln?
Jetzt – mitten in der Corona-Pandemie?
Ja! Jetzt! Wann denn sonst?

Zugegeben: etwas peinlich wäre es mir schon, jetzt jubelnd durch das Dorf oder eine Stadt zu laufen – Unverständnis und Kopfschütteln wären sicherlich die Reaktionen. Aber wäre das zu anderen Zeiten anders?
Doch: Gab es je Zeiten, in denen viele, in denen „die Kirche“ jubeln konnte? Wenn sie es tat – dann war sie meistens auf dem Holzweg, weil sie (oder zumindest Entscheidungsträger) zu etwas den Segen gaben, auf dem dann kein Segen lag – manchmal ganz im Gegenteil: Die Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau am Sonntag vor 75 Jahren zeigt, wohin ein falscher Jubel – auch seitens „der Kirchen“ – geführt hat.
Gab es je Zeiten, in denen „die Kirche“, in denen die Gläubigen gemeinsam jubeln konnten? Ich wage zu behaupten, dass es die seit der Auferstehung Jesu so nicht mehr gab.

Warum sollen wir also jubeln?

Den Grund beschreibt der Apostel Paulus so:

„Wenn jemand zu Christus gehört, gehört er schon zur neuen Schöpfung. Das Alte ist vergangen. Seht doch! Etwas Neues ist entstanden!“
(2. Korintherbrief 5, Vers 17, Übersetzung: BasisBibel)

Es geht also gar nicht darum, dass wir jubeln, weil es uns so gut geht oder weil um uns herum etwas Besonderes geschieht. Die Welt ist wahrlich nicht zum Jubeln – aber auch kein Jammertal, das es zu durchwandern gilt.

Die Welt gibt aber Anlass zum Jubel: die Natur erwacht, die Bäume werden grün und die Blumen sprießen. Wir können uns darüber freuen, und wir können dieses Erwachen der Natur als Hinweis auf Gott sehen: Die Welt als seine Schöpfung, die uns mit ihrer Schönheit auf ihn, auf Gott hinweisen soll.

Aber – die Welt ist nicht so, wie Gott sie gewollt hat. Es gibt Not und Elend, es gibt Schmerzen, Krankheit und Trauer. Diese Welt ist vergänglich – sagt Paulus.

In dieser vergänglichen Welt hat für uns Christinnen und Christen mit Ostern etwas Neues begonnen: die neue Schöpfung – Gottes Gegenentwurf zu dem, was wir derzeit erleben.

Diese neue Schöpfung ist unter uns – schon jetzt. Und doch können wir sie nur selten wahrnehmen und erleben: in besonderen Momenten, wenn wir sozusagen den Himmel auf Erden erleben. Und: diese neue Schöpfung ist in uns, wir gehören ihr an. Das gibt uns Kraft und Zuversicht: Wir stehen – im Bild gesprochen – mit einem Bein im Himmel, so sehr die Vergänglichkeit der Erde noch an uns zieht und zerrt.

Wir wissen um diese neue Schöpfung, wir gehören ihr bereits an. Das ist ein Grund zu überschwänglichem Jubel.

Das bedeutet aber nun nicht, dass wir jubelnd auf die Straßen laufen sollten und rufen: „Ich gehöre zur neuen Schöpfung, das Alte kann mir nichts mehr anhaben!“ Das wäre ein Triumphalismus, der sich über andere erhebt, der meint, der Himmel gehöre schon ihm – und dann haben die Kräfte gewonnen, die uns zurückziehen wollen.

Der Jubel führt vielmehr zur Demut – zum Mut, anderen und Gott zu dienen, wie es die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ausdrückte.

Diese neue Schöpfung ereignet sich nur da, wo wir gemeinsam mit anderen nach Gott suchen und nach seinem Willen zu leben versuchen. Und dann gilt: „Seht doch! Etwas Neues ist entstanden“ – auch durch uns.

(Kai Uwe Schröter)

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