„Zur Kirche gehört für mich …“ – haben wir Konfirmandinnen und Konfirmanden im Videounterricht gefragt. Sie sollten Begriffe aufschreiben, die dann als eine Wordcloud dargestellt werden – je öfter sie genannt wurden, desto größer wurden sie in der Wolke dargestellt. Groß waren die Worte Konfirmation, Gottesdienst und Jesus zu lesen, aber auch Gott, Musik, Altar und Bibel.
Ein kleines Wort am Rande
Und dann entdeckte ich das Wort Zeitverschwendung. Wahrscheinlich war es nur einmal genannt worden, denn es tauchte recht klein in der Wolke auf.
Zeitverschwendung? Ich merkte, wie ich über dieses Wort stolperte, da es für mich nicht so richtig zu den anderen passte. Aber passt es wirklich nicht?
Zeitverschwendung ist das Gegenteil von einer durchgeplanten Zeit, in der alles im Minutentakt geschehen muss. Die Entwicklung der Uhr spiegelt dies wieder: die ersten Uhren hatten nur einen Zeiger, teilten den Tag aber schon in Stunden ein. Diese wurden dann in Minuten, später in Sekunden und mittlerweile in Bruchteile von Sekunden unterteilt, zerhackt. Und diese Zeit muss gefüllt werden, denn „Zeit ist Geld“ – wie es so schön heißt. Zeit zu verschwenden bedeutet, Zeit unnütz zu verbringen, vielleicht selbst unnütz zu sein.
Arbeit und Ruhe
Zeit kann aber nur verschwenden, wer Zeit hat, wer genügend Zeit hat. Und damit sind wir in der Bibel. Auch da wird die Zeit unterteilt. Aber mit einem besonderen Ziel:
Sechs Tage in der Woche darfst jede Arbeit tun. Aber der siebte Tag ist ein Ruhetag. Er gehört dem HERRN, deinem Gott. An diesem Tag darfst du keine Arbeit tun.
So heißt es in den 10 Geboten. Und dieses Gebot bezieht sich auf die Erzählung von der Erschaffung der Welt: Gott vollendete am siebten Tag sein Werk und ruhte aus von allem, was er getan hatte. Er segnete diesen Tag und erklärte ihn zu einem heiligen Tag (so in 1. Mose 2, Verse 2+3).
Geradezu revolutionär klingen diese Worte in einer Zeit, in der der Sonntag mehr und mehr zu einem Tag wird wie die anderen Werktage. Und wer denkt noch an die Ursprünge dieses freien Tages in unserer jüdisch-christlichen Tradition?
Zeit verschwenden!
Manche wissen mit diesem Tag wenig anzufangen oder ärgern sich sogar darüber, dass sie nicht alles machen dürfen, was sie wollen. Sie halten diesen Tag für reine Zeitverschwendung.
Ja, und das ist er auch! Verschwendung. Dieser Begriff ist in Misskredit geraten angesichts knapper werdender Ressourcen. Aber Zeit gehört nicht dazu. Wir können sie verschwenden, wir sollten sie verschwenden: ausruhen, nichts tun, chillen. Dann bekommen wir Abstand zu unserem getakteten Alltag und merken, dass es noch etwas anderes gibt. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Gott hat uns unsere Zeit geschenkt. Und er hat uns reichlich davon gegeben, auch wenn wir nicht wissen, wie viel es schließlich ist.
Im Übermaß erleben wir Gottes neue Welt – seinen Gegenentwurf zu unserer Welt mit allem, was uns belastet und einschränkt. Davon berichten uns die biblischen Zeuginnen und Zeugen immer wieder: Da ist bei einer Hochzeit auf einmal bester Wein in Hülle und Fülle da, damit alle gut feiern können. Da sitzen tausende von Menschen zusammen und auf einmal ist genug Brot und sind ausreichend Fische da, dass alle satt werden.
Diese verschwenderische Fülle ist mit einem Auftrag Gottes an uns verbunden: genießt und teilt davon aus – es ist genug für alle da.
So ist es auch mit der Zeit. Wir sollten sie nicht komplett durchplanen und verplanen, sondern Inseln schaffen, Zeiten, in denen wir durchatmen können. Wir sollten uns täglich von unserer Zeit nehmen, um sie zu verschwenden!
Übrigens: Das Wort Zeitverschwendung stand in der Wordcloud zwischen willkommen zu sein und Segen. Eine gelungene Nachbarschaft.