Wer mag sie schon, die Angeber?

Sie protzen mit dem, was sie können, was sie haben, was sie sind – und wir haben oftmals den Verdacht, dass sie es dabei mit der Wahrheit nicht ganz so genau nehmen.

Wer mag sie schon, die Angeber?
Ihr Auftreten stört und nervt uns:

  • wie sie sich in den Mittelpunkt drängen,
  • wie sie um Aufmerksamkeit heischen,
  • dass sie bewundert und manchmal auch verehrt werden.

Und doch:

  • Würde ich nicht manchmal auch lieber etwas mehr Beachtung bekommen?
  • Täte es mir nicht auch gut, wenn andere mich bewundern und mir den Eindruck vermitteln, dass ich ein toller Typ sei?

Oder anders gefragt: Nervt uns der Auftritt von Angebern nicht auch deshalb, weil man auf sie blickt, während wir eher weniger beachtet werden?

Wer ist eigentlich ein Angeber?

Aber – wer ist eigentlich ein Angeber? Sind es nur die anderen?
Versuchen wir nicht auch, uns etwas besser darzustellen, als wir sind – oder meinen, dass wir sind?

  • Wer sagt anderen schon, wie es ihm wirklich geht, wenn er auf der Straße angesprochen wird?
  • Wer stellt sein Familienleben nicht als eher harmonisch dar, auch wenn er sich gerade gezofft hat?
  • Wer gibt zu, die Arbeit nicht zu schaffen oder den Unterrichtsstoff gerade überhaupt nicht verstanden zu haben, wenn ein Mensch in der Nähe ist, dem ich imponieren möchte?

Und wie ist es, wenn jemand davon erzählt, was er alles hat oder kann?

Ist das schon Angeberei? Sollte man verschweigen, welche Fähigkeiten und Begabungen man hat – nach der Devise: Eigenlob stinkt?

Angeben ist in Ordnung

Einige interessante Gedanken zu diesen Fragen habe ich im Buch des Propheten Jeremia im Ersten / Alten Testament entdeckt. Es heißt dort:

So spricht Gott, der HERR: Wer weise ist, rühme sich nicht seiner Weisheit und der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, wer reich ist, rühme sich nicht seines Reichtums.
Sondern dessen rühme sich, wer sich rühmt: einsichtig zu sein und mich zu erkennen, dass ich, der HERR, es bin, der Gnade, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden, denn daran habe ich Gefallen – Spruch des HERRN.
Jeremia 9, Vers 22-23; Zürcher Bibelübersetzung

Rühmen – sich selbst loben – vielleicht auch: angeben: das alles ist nichts Schlimmes. Jeremia sagt ja nicht: keiner soll sich rühmen!
Und auch gegen Weisheit, Stärke oder Reichtum wettert Jeremia hier nicht.

Die Frage ist vielmehr, wessen man sich rühmen, wofür man sich selbst loben kann und sollte.
Und da bieten die Worte eine interessante Perspektive: Wer sich positiv darstellen will, der soll nicht auf seine Weisheit, seine Stärke oder seinen Reichtum verweisen – das kann schnell zur Selbstüberschätzung führen.

Kann ich mit „Einsicht“ angeben?

Wer sich positiv darstellen will, der soll vielmehr darauf verweisen, dass er einsichtig ist, dass er einsichtig handelt.
Aber:

  • können wir uns selbst mit unserer Einsicht rühmen?
  • Können wir vor anderen damit angeben, dass wir einsichtig handeln?

Das ist das Widersinnige in unserem Leben – und ich denke, das war zur Zeit des Jeremia nicht anders:
Wir brauchen Einsicht und Weitsicht, um gute und tragfähige Entscheidungen zu treffen und danach zu handeln:

  • sei es bei der Corona-Pandemie
  • sei es bei den gesellschaftlichen Veränderungen, vor allem die Tatsache, dass viele Menschen gedanklich so weit auseinanderdriften, dass Gespräche kaum noch möglich sind,
  • aber auch eine angemessene Reaktion auf die Klimaveränderungen braucht Einsicht und Weitsicht und keinen kurzfristigen Populismus,
  • und auch die aktuellen Krisen in der Welt und in unserer Nähe wie die Flüchtlingskrise und die Kriegsgefahr in der Ukraine sind Herausforderungen an unsere Einsicht und Weitsicht.

Einsichtig zu handeln ist die Grundlage unseres Lebens und Zusammenlebens. Und doch: Wenn sich jemand dessen rühmt, wird das mit Kopfschütteln quittiert oder er / sie wir als Moralapostel bezeichnet.

Vom richtigen Rühmen und Angeben

Sondern dessen rühme sich, wer sich rühmt: einsichtig zu sein.“ – sagt Jeremia.
Einsichtig zu sein bedeutet auch, zu erkennen, dass es nicht die Wahrheit, nicht das einzig richtige Handeln gibt, sondern sehr unterschiedliche Positionen, von denen viele – für sich betrachtet – ihre Berechtigung haben, auch wenn sie sich möglicherweise widersprechen.

Einsichtig zu sein bedeutet mit den Worten des Jeremia aber vor allem: zu erkennen, dass ich, der HERR, es bin, der Gnade, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden.

Gott ist es, der für Gnade, Recht und Gerechtigkeit steht.
„Recht und Gerechtigkeit“ – mit diesen beiden Worten bezeichnet die Bibel ein gutes Leben:

  • ein Leben, in dem jede und jeder das hat, was er / sie zum Leben braucht,
  • ein Zusammenleben im Frieden (Schalom). Das ist kein erzwungener Frieden, sondern ein Zusammenleben in Achtung und Respekt, ein Zusammenleben mit dem Vertrauen, dass mir im Mitmenschen Gott begegnet.

Wenn sich jemand selbst lobt, wenn er/sie sich rühmt – dann nur deshalb, weil er / weil sie Einsicht hat und einsichtig handelt. Und das bedeutet: Weil er / weil sie weiß, dass nur das Vertrauen in Gottes Handeln ein gutes Leben und ein gutes Zusammenleben ermöglicht.

Und so können wir uns rühmen und auch damit angeben, dass wir Gott kennen, dass wir wissen: er hilft uns, ein gutes Leben zu führen.


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