„O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ lautet die erste Zeile des Weihnachtsliedes, das in den weihnachtlichen Gottesdiensten sozusagen zum Pflichtprogramm gehört. In vielen Gemeinden wird es am Ende des Gottesdienstes im Stehen gesungen – Heilig Abend beginnend und oft bis zum Epiphaniasfest am 6. Januar.

Kann man das Lied angesichts von Corona singen?

Doch kann man in diesem Jahr dieses Lied unbeschwert und fröhlich singen – angesichts der Corona-Pandemie?

  • angesichts der vielen Menschen, die in diesem Jahr vergeblich auf Besuch warten, die in großer Einsamkeit dieses Fest erleben?
  • angesichts der vielen Infizierten, angesichts derer, die auf Intensivstationen ums Überleben kämpfen, angesichts derer, die diesen Kampf schon verloren haben,
  • angesichts derer, die mit einem geliebten Menschen bangen und hoffen oder um einen Menschen trauern?
Müssen wir es nicht sogar singen – gerade jetzt?

Ich glaube, wir können es nicht nur, wir sollten es nicht nur, wir müssen es singen: oft und aus tiefstem Herzen.
Wir müssen es singen, auch wenn uns der Vorwurf gemacht wird, wir würden damit die ignorieren und deren Gefühle missachten, die unter der Pandemie leiden. Wir müssen es singen, auch wenn manche meinen, wir würden die Trauer und den Schmerz nicht ernstnehmen, sondern wir würden auf’s Jenseits vertrösten.

Deshalb möchte ich es andersherum formulieren: Wenn wir das Lied erst wieder singen wollen, wenn Not und Elend, Schmerz und Trauer wieder geringer oder vielleicht auch ganz verschwunden sind – dann werden wir das Lied nicht mehr singen.

Ja, dann wäre es auch nie geschrieben und gesungen worden. Denn schon im Leben von Johannes Falk, dem Dichter dieses Liedes wir die Spannung deutlich, die unser Leben ausmacht: das Nebeneinander von Elend, wie es durch die Krippe symbolisiert wird und von Herrlichkeit, wie sie der Stern andeutet.

Johannes Falk – ein Leben mit viel Not und Leiden

Johannes Falk wurde 1768 ‑ also vor gut 250 Jahren ‑ in Danzig geboren. Er erlernte den nicht sehr einträglichen Beruf des Perückenmeisters. Mit 17 Jahren war es ihm dann möglich, auf ein Gymnasium zu gehen und anschließend studierte er Theologie. Doch wurde er nicht Pfarrer, sondern satirischer Schriftsteller.
In Weimar, wohin er inzwischen umgezogen war, erlebte er in den Kriegswirren der Napoleonzeit die Not der Waisenkinder. Verwahrloste Jugendliche wurden von der Polizei einfach ins Zuchthaus gesteckt.
Als 1813 eine Seuche ausbrach, starben vier seiner Kinder, sechs Jahre später auch noch der älteste Sohn. In seinem Leiden und durch seinen Glauben sah er die Notwendigkeit, heimatlosen Kindern zu helfen: Er sammelte sie in seinem Haus und brachte sie in frommen Handwerker‑ und Bauernfamilien unter. 1823 gründete er den Lutherhof, ein Heim zur Erziehung verwahrloster Kinder.
1816, also 3 Jahre nachdem vier seiner Kinder gestorben waren, hat Johannes Falk die 1. Strophe des Liedes O du fröhliche gedichtet. Er hat sie für Kinder geschrieben, die das Lied in der Sonntagsschule singen sollten.

„O du fröhliche“ verweist uns auf Gott, gerade in schweren Zeiten

Not und Elend, Schmerz und Trauer gehören zu unserem Leben dazu, aber sie machen unser Leben nicht aus. Es gibt noch eine andere Dimension in unserem Leben: Gottes neue Welt. Sie hat an Weihnachten Gestalt angenommen, ist Mensch geworden. Gottes neue Welt gibt unserem Leben seinen Sinn und seine Tiefe. Deshalb haben Menschen über die Jahrhunderte hindurch angesichts extremer Not und Schmerzen „O du fröhliche“ gesungen. Es hat ihnen Kraft gegeben „aus der Höhe.“ Und so sollen – und müssen! – auch wir uns gegenseitig und der Welt von der neuen Zeit singen, die mit der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem begonnen hat. So breitet sich Gottes neue Welt unter uns aus. So leuchtet das Licht von Bethlehem auch uns und zeigt uns den Weg, hin zum göttlichen Licht.

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