An Himmelfahrt zieht es Menschen hinaus in die Natur. Auch viele Gottesdienste werden unter freiem Himmel gefeiert – in diesem Jahr aber eingeschränkt durch die Corona-Pandemie. Berge sind bevorzugte Orte für solche Gottesdienste, denn das bedeutet Aufstieg und Anstrengung, dann aber auch Weitblick und Faszination – kurz: man fühlt sich Gott näher.

Schon in biblischen Zeiten hatten Berge eine besondere Bedeutung. Im 121. Psalm heißt es:

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe?“
(Psalm 121, Vers 1)

Mose bekommt die 10 Gebote auf einem Berg, Elia begegnet Gott dort. Jesus wird auf einem Berg vom Teufel in Versuchung geführt. Seine bekannteste Rede hält er auf einem Berg. Eine Gottesbegegnung (Verklärung) findet ebenfalls auf dem Berg statt – um nur einige Beispiele zu nennen. Jesu Himmelfahrt selbst geschah nicht von einem Berg aus, aber die Jüngern sahen nach oben, ihm nach – womit sich der Kreis zum 121. Psalm schließt.

Orte, die uns ansprechen

Die meisten von uns kennen solche Orte, zu denen sie gerne gehen, die ihnen „etwas geben.“ Das kann ein Berg sein, eine frische Quelle auf einer anstrengenden Wanderung, ein Bach, ein besonderer Baum, eine Kirche – oder auch ein Friedhof. Ja, selbst die Bibel kann zu einem solchen Ort werden.
Ich kann mich erinnern, dass ich einen Gottesdienst an einem mir bis dahin unbekannten Ort in der Natur halten sollte. Ich war innerlich beschäftigt mit dem, was noch alles zu organisieren war. Eher zufällig hob ich meinen Blick. Auf einmal war ich überwältigt von diesem wunderbaren Ort.

Mancher Ort „spricht“ einmalig zu mir: ich erlebe etwas Besonderes, von dem ich noch lange zehre.
Und dann kann es passieren, dass ich ich wieder an den Ort komme und überrascht bin, dass er mir soviel bedeutet (hat), wo er mir jetzt so gar nichts mehr „sagt“.

Zu anderen Orten können wir jederzeit kommen und es ist, als ob sie auf uns warteten, als ob sie etwas für uns „hätten“. Wir kommen, bleiben eine Weile, und verlassen sie verändert.
Solche Orte geben uns Kraft. Sie weisen über sich hinaus. An ihnen erleben wir etwas, durch das unser Denken und Fühlen offen wird für den lebendigen Gott, der in uns ist und um uns herum ist.

Ha-Makom

Heute will ich Ihnen einen besonderen Kraftort zeigen: „ha-Makom“. Dieses hebräische Wort bedeutet „die Stelle“, „der Ort“ und kann eigentlich jeden Ort benennen. Aber: ha-Makom ist auch einer der Namen Gottes. In der hebräischen Sprache wird Gott mit den vier Buchstaben JHWH bezeichnet, von denen niemand weiß, wie man sie ausspricht. Man weiß es nicht, weil es vergessen wurde, denn im Judentum wird der Namen Gottes aus Ehrfurcht nicht ausgesprochen, sondern umschrieben. Stattdessen wird da, wo in der Bibel JHWH steht eine Umschreibung gelesen, beispielsweise „Adonaj“ (Herr), ha-Schem (der Name) oder „der Ewige“ – oder auch „ha-Makom“.
So heißt es im 16. Psalm:

„Ich spreche zu ‚ha-Makom‘: Du bist mächtig über alle. Du! Glück finde ich nur bei Dir.“
(Psalm 16, Verse 1-2, Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache)

Mit diesem Gott macht der Beter und die Beterin die Erfahrung:

„Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“
(Psalm 139, Vers 5, Übersetzung: Luther 2017)

Gott begleitet mich „immer und überall“ (wie es in einem Kinderlied heißt). Jeder Ort kann zu ha-Makom werden, zu einem Ort, an dem ich etwas Besonderes erlebe, zu einem Ort, an dem Gott mir Kraft gibt.


Impuls „Ha-Makom“ zum Anhören
von Pfr. Kai Uwe Schröter
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