Erschöpfende Auseinandersetzungen

Ich möchte Ihnen heute von Elija erzählen. Er ist ein Bote Gottes, von dem uns das Erste Testament berichtet. Er hat sich sogar mit dem König angelegt: Elija fordert den König auf, sich von falschen Göttern abzuwenden und sich für den Glauben an den einen Gott (Israels) zu entscheiden. Da ist Elija ganz klar und eindeutig, mit allen Konsequenzen. Der König lässt das natürlich nicht mit sich machen. Und nun muss Elija um sein Leben fürchten und flieht in die Wüste. Nach einer entbehrungsreichen Zeit erreicht er schließlich, gestärkt und begleitet von Gott, den Gottesberg, den Horeb.

Dort angekommen ging er in eine Höhle, um darin zu schlafen.
Er hatte keinen Blick für die Natur, die schöne Aussicht. Vielleicht war er erschöpft von der langen Wanderung. Oder er suchte nach Sicherheit und Geborgenheit.

Unsere Höhlen

Das erinnert mich ein bisschen an Kinder, die sich eine Höhle bauen oder eine Decke über den Kopf ziehen, damit die „böse Welt“ draußen bleibt. Vielleicht war er auch verzweifelt…, und hat sogar an Gott gezweifelt.

Zweifel an Gott – Verzweiflung. Das erleben wir auch hier im Upland jetzt, in den Zeiten von Corona: Manche Menschen hatten lange keinen Kontakt mehr zu anderen. Jetzt fällt es ihnen schwer, wieder auf andere zuzugehen, mit ihnen in Kontakt zu treten. Und weil das viele Menschen betrifft, gibt es dafür sogar einen wissenschaftlichen Namen: Höhlen-Syndrom: Die Menschen bleiben also lieber in ihrer Höhle. Und einige trauen sich nur allmählich, wieder in Kontakt mit anderen Menschen zu treten.

Elija ist verzweifelt

Doch hier ist es anders: Elija ist nicht allein. Gott spricht ihn direkt an: „Was willst du hier, Elija?“
Diese Frage hat mich überrascht. Gott schickt ihn auf diesen langen Weg, und jetzt, am Ziel, fragt er ihn erstaunt: „Was willst du eigentlich hier?“
Kein Wunder, dass der ganze Zorn und die ganze Verzweiflung aus Elija hervorbricht und er Gott vorwirft: „Ich habe mich für dich eingesetzt und mich mit allen in Israel angelegt, die andere Götter verehren wollten. Ich musste das ganz allein stemmen, weil außer mir niemand mehr da war. Und ich hatte Erfolg. Und nun muss ich fliehen, weil mein Leben in Gefahr ist.“

Gottes Antwort

Gott geht aber auf diese Vorhaltungen gar nicht ein. Vielmehr heißt es: „Jahwe antwortete:
Komm heraus und stell dich auf den Berg vor Deinen Gott!“
Das klingt für mich wie eine Ermutigung: „Verkrieche Dich nicht, ich bin doch bei Dir.“
Es könnte aber auch eine Aufforderung Gottes sein: „Steh endlich auf, nimm dein Leben in die Hand und halte Ausschau nach mir!“

Warum ist Elija wohl auf einen Berg gestiegen, habe ich mich gefragt. Höhlen gibt es doch eher in Tälern. Ob er wohl auf der Suche nach Gott ist?
Jetzt wird deutlich: Gott hat ihn auf den Berg geführt, damit es zu einer Begegnung zwischen beiden kommt.
Berge gelten in der Bibel ja als Orte, an denen Gott mit Menschen in Kontakt tritt. Und diese Begegnung geschieht auf besondere Weise. Fast poetisch klingt, was darüber in der Bibel überliefert wird.
Es heißt dort:

„„Da zog Jahwe-Gott vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging Gott voraus.“
Doch Gott war nicht im Sturm.
Nach dem Sturm kam ein Erdbeben.
Doch Gott war nicht im Erdbeben.
Nach dem Beben kam ein Feuer.
Doch Gott war nicht im Feuer.
Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.
1. Könige 19, Verse 11b-13
Verschwebendes Schweigen

„Ein sanftes, leises Säuseln.“ Der Jude Martin Buber ahmt die hebräischen Worte seiner Bibel nach und übersetzt sie mit: „aber nach dem Feuer eine Stimme verschwebenden Schweigens.“
Wie oft kommt Gott im Ersten Testament vor mit Blitz und Donner, gewaltig und mächtig – so ja auch vorher, als Elija gegen die fremden Götter auftrat. Und jetzt ist Gott nicht im Sturm, auch nicht im Erdbeben und auch nicht im Feuer.
Er kommt ganz leise, schweigend – und doch eindeutig. Als Elija dieses Schweigen hört, verhüllt er sein Gesicht. Er kommt aus seiner Höhle.

Welch Gegensatz in Elijas Leben: Wie gewaltig und gewaltsam war Elijas Kampf gegen die falschen Götter und ihre Priester, wie machtvoll war Gottes Hilfe.
Und jetzt: die Begegnung mit Gott geschieht in der Stille.

Konflikte – und Ruhe

Vielleicht ist das ein Bild für unser Leben: Es gibt Zeiten, in denen wir schwere Konflikte und Krisen durchstehen müssen: Konflikte mit anderen, aber auch mit uns selbst und darin auch Zweifel an Gott. Wir haben vielleicht sogar Kraft – und merken doch, wie sehr uns diese Konflikte überfordern. Wir sind erschöpft, wissen nicht weiter.
Wir wollen uns verkriechen, allein sein, unsere Ruhe haben.
Und dann, wenn wir selbst nichts mehr tun können oder wollen, wenn wir am Boden sind – dann erleben wir – ganz leise – Gott.

Gott im Hintergrund

Ich stelle mir das wie den schönen warmen Ton einer Klangschale vor.

Der Ton erklingt, aber ich höre ihn nicht, weil es zu laut ist oder weil ich zu beschäftigt bin.

Aber wenn ich dann einen stillen Ort finde und zur Ruhe komme, wenn meine Gedanken nicht mehr ständig um irgendetwas scheinbar Wichtiges kreisen, dann werde ich diesen Ton hören, der mich die ganze Zeit begleitet hat – auch wenn ich ihn nicht wahrgenommen habe.

Vielleicht müssen wir erst wieder aufmerksam dafür werden. Viele Menschen erzählen, dass sie jetzt in der Corona Pandemie eine neue Dankbarkeit und Achtsamkeit entwickelt haben. Für all die Dinge im Leben, die früher selbstverständlich waren. Sie können die Schönheit der Natur neu genießen und freuen sich an zwischenmenschlichen Begegnungen, über eine Umarmung oder ein einfaches Gespräch. Sogar über die Schule freuen sich die Kinder wieder. Und das gibt wieder neue Kraft für den Alltag. So wie bei Elija auf dem Gottesberg.

Warum nicht auf einen Berg steigen?

Berge sind Orte für besondere Gottesbegegnungen. Darum: Genießen Sie unsere wunderbaren Berge. Genießen Sie die tolle Aussicht.
Genießen Sie es, wenn Sie wieder einmal mit vielen Menschen zusammen sind.
Und genießen Sie Momente der Ruhe. Vielleicht nehmen Sie dann Gott als „Stimme verschwebenden Schweigens“ in Ihrem Leben wahr.

Sie werden nicht immer in dieser Ruhe bleiben können. Sie werden zurückkehren in die Unruhe des Alltags. Aber Sie können verändert zurückkehren mit dem Vertrauen, dass Gott Sie begleitet: beständig und vernehmbar, wenn auch leicht zu überhören.


(Gedanken anlässlich des Hochheidetages auf dem Kahlen Pön bei Usseln am 08.08.2021 von Gemeindereferentin Angelika Schneider und Pfarrer Kai Uwe Schröter)


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