Gibt es Wahrheiten, die die Jahrhunderte überdauern?
In den letzten Wochen ist einiges, was uns sicher schien, ins Wanken geraten. Das ist mir deutlich geworden, als ich einen Abschnitt aus dem Mattäusevangelium gelesen habe.
Jesus sagt dort:

„Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut. Und jeder, der diese meine Worte hört und nicht danach handelt, ist ein Tor, der sein Haus auf Sand baute. Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört.“
Matthäus 7, Verse 24-26

Als ich diese Worte las, stiegen in mir sofort die Bilder von den Überflutungen in der vorletzten Woche vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf, die mir seitdem täglich in den Printmedien und im Fernsehen präsentiert werden: Eine schier unvorstellbare Zerstörung.
Und damit gerieten auch meine Vorstellungen ins Wanken: Wie ist das mit einem auf Fels gebauten Haus. Bisher glaubte ich, dass das den heranflutenden Wassermassen wirklich standhalten kann. Aber die Bilder der zerstörten Häuser widersprechen dem.

Die Grundlagen unseres Lebens

Worauf kann man also wirklich haltbar bauen? Oder muss man sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass es letztlich keine Sicherheit gibt?

Jesus will mit dem Bild vom klugen Mann, der sein Haus auf einem Felsen baut und vom dummen Mann, der sein Haus auf sandigem Boden baut verdeutlichen, wie wichtig die Grundlagen unseres Lebens sind: Wer beherzigt, was Jesus gelehrt hat, hat ein gutes Fundament, auf das er aufbauen kann – anders als der, der zwar das alles auch hört, es aber nicht in seinem Leben umsetzt.
Vielleicht ist dieser Hinweis nicht vollständig weggerissen worden durch die Fluten vorletzte Woche. Diese Worte Jesu haben ihre selbstverständliche Überzeugungskraft jedoch verloren – ich nehme an, nicht nur für mich.
Und ich möchte behaupten, dass das auch gut ist. Denn Selbstverständlichkeiten nehmen wir hin, ohne weiter darüber nachzudenken. Und wenn dann Stürme toben und daran rütteln, dann werden sie nicht standhalten, denn sie sind nicht gut gegründet.

Die Weisungen der Bergpredigt

So heißt es nachzudenken, wie wir diese Aussagen Jesu auf dem Hintergrund unserer aktuellen Erfahrungen verstehen und für uns deuten können.
„Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute.“ Sicherlich bleibt entscheidend, worauf ich meinen Glauben gründe. Jesus meint mit diesem Bild seine Worte in der Bergpredigt, die er zuvor gehalten hat. Auf diesem Hintergrund müssen wir uns in der Tat fragen lassen, ob wir seine Worte beherzigen: Wie fest ist da unser Grund?
Denn in der Bergpredigt entfaltet Jesus, was für ihn bedeutet, nach Gottes Willen zu leben. Und das klingt in vielen Bereichen radikal – zu radikal, als das wir es in unserem Leben vollständig umsetzen könnten. Und so gibt es die Auffassung, dass ein Leben nach den Richtlinien der Bibel nur besonderen Christinnen und Christen möglich wäre. Oder es heißt: Die Weisungen der Bergpredigt zeigen Gottes Willen für uns Menschen. Aber wir können sie nicht erfüllen. Sie haben vielmehr

die Aufgabe, uns zu zeigen, dass wir den Willen Gottes verfehlen, dass wir Sünderinnen und Sünder sind – und vollständig auf Gottes Gnade angewiesen.

Ich selbst halte wenig von solchen Gedanken. Ich glaube, Jesus hat uns hier Richtlinien und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Die Bergpredigt ist seine Auslegung seines jüdischen Glaubens. Und im Judentum geht es nicht um die Frage, ob wir die Weisungen Gottes erfüllen können, sondern wie wir nach den Weisungen Gottes leben können – wohl wissend, dass uns das oft nicht gelingt.
Wie das aussieht, das beschreibt der Prophet Micha ganz anschaulich:

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte lieben und achtsam mitgehen mit deinem Gott.“
Micha 6, Vers 8
Gut gegründet

Ein Glaube, der auf dem gründet, was Jesus in der Bergpredigt erwartet, hat ein gutes Fundament. Und doch gilt auch für diesen Glauben, dass es Katastrophen geben kann, die ihn trotzdem erschüttern oder sogar zerstören können.

Was können wir tun?

Die Flutkatastrophe hatte verschiedene Ursachen. Aber ein – oder sogar der – entscheidende Faktor ist die Klimaveränderung, für die wir mitverantwortlich sind: Unser Leben hat unmittelbaren Konsequenzen für das Klima: Ich könnte es auch anders ausdrücken: Dass wir leben, schadet dem Klima. Aber wir können versuchen, diesen Schaden durch unsere Lebensführung möglichst gering zu halten. Auch das bedeutet, die Weisungen Gottes zu beherzigen, der uns als seine Stellvertreter*innen und Statthalter auf dieser Erde eingesetzt hat.
Unser Glauben ist keine Privatsache und auch keine Angelegenheit, die wir in einem begrenzten Kreis Gleichgesinnter leben können. Wir können uns nicht von einer als „böse“ angesehenen Welt abgrenzen, sondern wir sind Teil dieser Welt. Jesu Worte zu beherzigen bedeutet, dieser Welt Gottes Willen vorzuleben und ihr davon zu erzählen.

Was bleibt uns?

Es gibt Situationen, die uns erschüttern. Katastrophen können über uns hereinbrechen, die unser Existenz oder unser Vertrauen in Gott, unseren Glauben, in ungeahntem Maße zerstören können.
Aber in allen Katastrophen sind wir nicht allein: nach der Flutkatastrophe hat es eine große Welle der Hilfsbereitschaft gegeben:

  • Menschen, die in die Region fuhren, um anzupacken und aufzuräumen,
  • andere, die Hilfsgüter sammelten und zu denen brachten, die alles verloren haben,
  • Menschen, die durch Spenden eine finanzielle Grundlage für den Wiederaufbau gelegt haben.

Genauso können wir darauf vertrauen, dass Gott auch dann bei uns ist, wenn unser Vertrauen in ihn erschüttert ist: Es wird auch da Menschen geben, die kommen, die beim Aufräumen helfen und Möglichkeiten schaffen, auf denen wir neu aufbauen können.

„Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute.“ Er / sie weiß, dass das Glaubenshaus nicht unerschütterlich steht. Aber es gibt ein Fundament in der Gemeinschaft, das trägt – auch und gerade in großen Katastrophen.


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