„Ich will mein altes Leben zurückhaben,“ habe ich in der letzten Zeit einige Male gehört. Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie sollten möglichst vorbei sein (wer wünscht das nicht?) und dann kann da nahtlos angeknüpft werden, wo man aufhören musste.
Ich kann mir vorstellen, dass nicht nur viele Menschen so denken, sondern dass auch in Kirchen und Kirchengemeinden der Wunsch besteht: Jetzt leben wir unter Einschränkungen, haben lange keine Gottesdienste gefeiert und beginnen sehr langsam wieder – mit wenigen und ohne Gesang. Aber dann, in baldiger Zukunft, wird alles wieder so sein wie es war – oder wie man zumindest meint, dass es gewesen wäre.
Auf der anderen Seite haben sich durch die Corona-Pandemie die Kommunikationsformen gewaltig geändert: Im pfarramtlichen Alltag sind vor allem Videokonferenzen zu Telephon und Email sowie social Media hinzugekommen. Und seitdem wir keine Gottesdienste mehr feiern können, werden neue Gottesdienstformen praktiziert: kleine Feiern auf Plätzen, Gottesdienste in Tüten, Videogottesdienste, Audiofiles und Homepage-Andachten, ZOOM-Gottesdienste und was es da noch alles gibt: ein reiches, ein segensreiches Angebot.
Wird das alles wieder aufgegeben, wenn die üblichen Gottesdienste am Sonntagmorgen wieder möglich sind? Oder ersetzen diese Formate und die bereits beliebten Fernsehgottesdienste mehr und mehr den (ohnehin teilweise recht übersichtlichen) Gottesdienstbesuch?
Und: wie passen diese neuen Kommunikationsformen zu unserer Botschaft von Gottes neuer Welt und seiner Liebe zu uns Menschen?
Es scheint, als ob Jesus diese Frage auch schon beschäftigte. Und er hat einen interessanten Rat gegeben. Er sagt:
„Man füllt nicht neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißen die Schläuche und der Wein wird verschüttet und die Schläuche verderben. Sondern man füllt neuen Wein in neue Schläuche, so bleiben beide miteinander erhalten.“
Jesus antwortet mit dem Bild auf eine Frage, warum sich seine Jüngerinnen und Jünger so ganz anders verhalten als andere jüdische Gruppen zu seiner Zeit. Und so meint er mit dem neuen Wein seine Botschaft. Die braucht neue Gefäße, denn sie passt mit ihrer Kraft nicht zu den alten religiösen Lebensweisen – beides würde Schaden nehmen.
Heute – 2.000 Jahre später: ist da aus dem neuen Wein ein alter, runder, von uns gut ausgebauter Wein geworden, der mit seinem vielfältigen Bouquet uns erfreut – den man aber nicht in neue Schläuche umfüllen sollte?
Oder sollte man diesen alten, guten Wein nicht doch besser in neue Schläuche umfüllen, die ihn vielleicht sogar noch besser aussehen lassen?
Gerade jetzt, wo wir eine Vielzahl neuer „Schläuche“ haben, sollten wir uns auch den Wein wieder genauer ansehen. Und wir werden feststellen, wie jung der ist, welche Kraft in ihm steckt, wie gut die Schläuche beschaffen sein müssen, um ihn zu erhalten!
Die Botschaft von Gottes neuer Welt und seiner Liebe zu uns Menschen ist neuer Wein, und der braucht neue Schläuche, aus denen er dann großzügig ausgeteilt wird, um uns zu erfreuen und die Hoffnung auf Gottes neue Welt in uns lebendig zu halten.