
… ein Sohn ist uns gegeben.
„Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst“ heißt es in einer Verheißung des Propheten Jesaja, mit der wir die Geburt Jesu deuten.
Ein Kind ist uns geboren. Vielleicht irritiert Sie die Darstellung der Krippe, weil sie so anders ist als unsere üblichen Vorstellungen von Weihnachten, von dem Kind in der Krippe.
Eine Krippe als Gleichnis für den Glauben
Klein ist diese Krippe, gerade einmal 3 cm x 5,5 cm.
Das Original dieser Hauskrippe stammt aus dem 16. Jahrhundert und hat den Glauben und die Andacht der Menschen damals begleitet. Irgendwann war sie verschwunden – vielleicht hat sich auch niemand für sie interessiert. Bis sie im Mai 2008 bei Ausgrabungen wieder gefunden und freigelegt wurde. Ich sehe hier ein Gleichnis für unseren Glauben – in unserem Leben, vielleicht aber auch im Jahresverlauf: Unser Glaube gehört zu unserem Leben dazu, wir beachten ihn weniger, er ist ja da! Und dann ist er vielleicht verschwunden, irgendwo in meinem Inneren. Und dann entdecke ich ihn plötzlich wieder: grabe ihn aus, betrachte ihn, freue mich an ihm. Er gibt mir Kraft und Hoffnung. Gerade die Weihnachtszeit ist ja eine Zeit, in der wir intensiv nach unserem Glauben suchen und manches neu entdecken.
Die Form der Krippe ist ungewöhnlich. Wer sich Osterdarstellungen ansieht, ist schnell an Jesus erinnert, der sich aus dem Sarg erhebt. Und Hinweise finde ich, die das unterstützen: Das Kind hat ein Kreuz in der Hand, Zeichen des gewaltsamen Todes Jesu. Und es scheint so, als habe das Kind den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand erhoben, als das Zeichen des Sieges über den Tod, wie es sich ebenfalls in Auferstehungsdarstellungen findet.
Weihnachten 2020 – im Finstern wandeln
Gerade zu diesem Weihnachtsfest ist mir diese Darstellung besonders nahe. Seit Anfang des Jahres breitet sich das Coronavirus in der Welt aus, seit Mitte März leben wir mit Einschränkungen, derzeit sogar mit großen Einschränkungen. Und dennoch steigt in Deutschland die Zahl der Infizierten beständig und die Zahl derjenigen, die an oder im Zusammenhang mit Corona sterben, erreicht täglich neue Höchststände. Angst und Sorge wachsen. Der Tod, den wir in unserem alltäglichen Leben eher verdrängen, schiebt sich wieder in den Vordergrund, bekommt mehr Bedeutung, mehr Macht. Um uns wird es sozusagen dunkler in dieser Zeit.
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell“ heißt es in der Verheißung des Jesaja.
Die Geburt des Kindes in der Krippe hat die Welt verändert, hat Licht in die Dunkelheit gebracht. Der Tod gehört weiterhin zu unserem Leben, aber er hat keine Macht mehr über uns. Für das Weihnachtsfest in diesem Jahr bedeutet das, dass wir weder sorglos noch panisch ängstlich sein sollten, sondern dass wir besonnen und rücksichtsvoll miteinander umgehen können und sollten. Auch wenn vieles, was für uns zum Weihnachtsfest (eigentlich) dazugehört, in diesem Jahr wegfällt, so fällt Weihnachten doch nicht aus.
Neues kann wachsen
Wir können Weihnachten anders feiern und vielleicht tut es dem einen oder der anderen auch gut, die ausgetretenen Pfade der Weihnachtsgewohnheiten zu verlassen und neue Wege zu gehen, Neues zu entdecken.
Manche werden Besuche und Kontakte schmerzlich vermissen, die frohe Botschaft von der Geburt des Kindes macht sie nicht froh, kann sie in dieser Situation nicht trösten.
Manchmal ist der Glaube, das Vertrauen zu Gott tief vergraben, nicht zu finden. Aber so wie die Hauskrippe eines Tages dann doch wieder da war, so können wir darauf vertrauen, dass auch unser Glaube sich wieder einstellt – dass das Weihnachtsfest ihn in uns leuchten lässt.
… die Herrschaft ist auf seiner Schulter
Das Kind in der Krippe hält eine Weltkugel in der Hand: Zeichen des Weltenherrschers. Ja, Jesus lag als Kind in der Krippe, wurde in ärmlichen Verhältnissen geboren. Auch die Hirten, die zuerst von der Geburt erfuhren, lebten am Rande der Gesellschaft. Ganz klein, ganz arm beginnt das Leben Jesu. Und bis zu seinem Tod am Kreuz teilt er unser Leben. Erst danach, mit seiner Auferstehung wird deutlich, dass mit ihm die Macht des Todes gebrochen ist – und damit auch die Macht todbringender Strukturen, die es vielfach in unserer Welt gibt: menschengemacht oder – wie beim Corona-Virus – durch Menschen verbreitet.
Viele Namen hat Jesus bekommen in seinem Leben und nach seinem Leben. Die wichtigsten nennt aber der Prophet Jesaja: „Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst“, denn er kann „wunderbar Rat geben“, zeigt, wie „stark Gott ist“, der „mein Vater und meine Mutter für immer“ ist und der „im Dienst des Schalom“ steht – eines allumfassenden Friedens. Seine neue Welt erleben wir hier in unserer alten Welt: oft scheint sie nur ganz kurz auf und ist dann wieder verschwunden. Aber an Weihnachten erleuchtet sie uns und erleuchtet sie unsere Welt.